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Alvar Bohrmann
in limbo
March 14th - April 12th, 2025

Alvar Bohrmann

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Alvar Bohrmann

Alvar Bohrmann

Alvar Bohrmann

© Tony Haupt Photo

Alvar Bohrmann
in limbo

Der Weg ins zqm führt durch einen Hinterhof in der Petersburger Straße in Berlin-Friedrichshain, hinein in das alte Hinterhaus der Nummer 73 und hinauf in den ersten Stock. Das Treppenhaus ist alt. Farbe platzt von den Wänden, die Stufen sind ausgetreten, und zwischen den grünen Lamellen unter den Treppenstiegen sammeln sich Spinnweben. Betritt man den Projektraum, liegt das eben durchschrittene Treppenhaus in einer entrückten, auf den ersten Eindruck geradezu sterilen Wiederholung erneut vor einem. Die weißen Treppen führen hinauf in ein vermeintliches Nichts.

Alvar Bohrmann öffnet mit seiner Installation in limbo einen Zwischenraum zwischen Umkehren und Weitergehen. in limbo ist ein Ausdruck, den der Künstler selbst häufig verwendet - für Schwebezustände. In Beziehungen, politischen Situationen oder beruflicher Entwicklung beispielsweise. 'Im Limbo' sein erfordert Geduld. Ein Zustand, den es auszuhalten gilt. Durch das Innehalten bleibt Zeit, sich umzublicken. Und sieht man sich nun im Raum um, so stellt man fest, dass es sich nicht um festes, stabiles Material handelt, mit dem Bohrmann die Treppen fortsetzt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich Stickereien, florale Muster und Flecken auf den Treppenstufen und den Wölbungen unter der Stiege entdecken. Diese gehören zu gebrauchten Tischdecken, die Bohrmann mit einem Maisstärkegemisch tränkt, in Form bringt und aushärten lässt. Die nun zum Teil türkis gefärbten Stoffe bilden nicht mehr den Untergrund für feierliche Zusammenkünfte, sondern unterstreichen die Bühnenhaftigkeit der Installation. Statt abgeplatzter Farbe und Spinnweben im Treppenhaus finden sich auf den Tischdecken die überbleibsel gemeinsam verbrachter Zeit - vom Kommen und Gehen. Bohrmanns Installationen entstehen stets durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsraum. Passend also, dass das Material seine Verwendung als Zitat an das Treppenhaus der Petersburger Straße findet, welches selbst Ort der Begegnung, Begrüßung und des Abschieds ist.

Treppenhäuser dienen als 'Zwischenräume' zwischen drinnen und draußen: Nicht mehr ganz die eigene Wohnung, noch nicht ganz der Bürgersteig oder die Straße. Doch so sehr sich das tatsächliche Treppenhaus in der Petersburger Straße und das im Ausstellungsraum gleichen, so unterschiedlich sind sie: Während das eine aus Holz, Stein und Metall besteht, können die Treppen des anderen kein Gewicht tragen. Während das eine die Möglichkeit zum Auf- oder Abstieg bietet, lässt einen das andere vor unbetretbaren Treppenstufen ins Nichts verharren. Dieses Konzept des unvollzogenen übergangs von einer Etage in die nächste wird auch in Bohrmanns Wahl des Titels deutlich. in limbo leitet sich ursprünglich vom christlichen Konzept des Limbus ab, der umgangssprachlich oft als Vorhölle bezeichnet wird und einen Ort zwischen Himmel und Hölle beschreibt. Der Begriff wird im englischen Sprachgebrauch jedoch von seinem christlichen Ursprung befreit und vielmehr als Zustand der temporären Unklarheit verwendet. Die gewählten Materialien lassen das Licht durchscheinen und bieten gleichzeitig Schutz und Hülle. Ein positives Gefühl der Geborgenheit und Nostalgie stellt sich ein. Sich 'in limbo' zu befinden, stört plötzlich wenig. Beim Austritt aus dem Projektraum wandelt sich der Blick der Betrachtenden dann für einen kurzen Augenblick - das Treppenhaus hebt sich im Moment des Verlassens flüchtig empor und wird schließlich selbst zum Kunstwerk.

Jana Jarzembowski

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